Filmreview: „Carol“ von Todd Haynes

 

Sapphische Leidenschaft und plakative Kontraste

Gleich und gleich gesellt sich gern, aber Gegensätze ziehen sich an. Zwei Aphorismen, die zwei völlig gegenläufige Thesen vertreten, in deren Kern aber trotzdem jeder etwas Wahres finden kann. Denn zum einen umgibt sich der Mensch gern mit anderen, die seine Werte, Meinungen oder seinen Blick auf die Welt teilen. Zum anderen geht zwischenmenschlicher Anziehung zumeist eine Leerstelle im Unterbewusstsein voraus, die es zu füllen gilt: Das Gegenüber hat, kann oder ist etwas, das uns selbst (noch) fehlt. Wer begehrt, sucht nicht nur nach Gemeinsamkeiten. Das Potenzial des Andersartigen schafft ebenfalls den Reiz.

Carol (Cate Blanchett) und Therese (Rooney Mara) sind grundsätzlich verschieden, aber ein schwerwiegendes Dilemma ist ihnen beiden gemeinsam: Ihr Begehren findet in ihren gänzlich unterschiedlichen Lebensrealitäten keinen Platz. Carol ist Ehefrau, Mutter und aus gutem Hause, Therese ist eine einfache Verkäuferin, die noch auf der Suche nach ihrem erwachsenen Ich ist. Beide begegnen sich zum ersten Mal, als Carol ein Weihnachtsgeschenk für ihre Tochter kauft und sich von Therese beraten lässt. Es sind die konservativen 1950er Jahre, in denen der Zwang zur Norm zum Alltag gehört und abweichende Bedürfnisse nur im Verborgenen gelebt werden können. Konvention und Etikette erlauben keine Ausnahmen – erst recht nicht, wenn es um gleichgeschlechtliche Liebe geht. SAY WHAT?! Weiterlesen…